Geschichte in Bildern

Zum Bildkonzept der neuen Baselbieter Geschichte

Trotz aller Lesefreundlichkeit: Was alles an inhaltlicher und wissenschaftlicher Qualität in den sechs Bänden der neuen Baselbieter Geschichte drinsteckt, entdeckt man erst im Lauf der Lektüre. Sofort ins Auge springen jedoch die graphische Gestaltung und vor allem die Bilder. Es lohnt sich schon aus ästhetischen Gründen, die Bebilderung eines Geschichtsbuches ebenso ernsthaft zu betreiben wie die textkritische Arbeit. Die neue Baselbieter Geschichte versucht aber auch, das Bild als historische Quelle und als historiographische Darstellungsform in ein gebührendes Licht zu rücken.

 

Umgang mit Bildern

 

Welche Funktion können und sollen denn Bilder in einem Textband haben? Grundsätzlich ist ein Drittel der Druckseiten für Illustrationen reserviert. Wie dieser Platz genutzt wird, ist von Kapitel zu Kapitel, von Autor zu Autorin verschieden. Eine gängige Methode besteht darin, den Text mittels Bildern zu illustrieren, auszuführen oder zu ergänzen. Bilder werden zum Beispiel als visuelle Dokumentation historischer Realität eingesetzt. Etwa wenn im Kapitel zum politischen System die Porträts führender Behördenmitglieder gezeigt werden oder am Rande eines Textes über Industrialisierung fotografische Aufnahmen früher Fabriken. Gerade was im Lauftext aus Platzgründen unerwähnt bleiben muss, kann so mittels Abbildung thematisiert werden. Denselben Zweck erfüllen thematische Karten, Diagramme und Tabellen, vorausgesetzt sie sind als graphisches Element und nicht als gezeichnete Datenbank konzipiert. Man kann aber auch das (historische) Bild als Quelle thematisieren: Johannes Senns Aquarell „Wilhelm Senn geht an Gesslers Hut vorbei“ von 1838 steht zugleich als Beispiel für die Entwicklung künstlerischen Schaffens im Baselbiet wie auch als Ausdruck verhaltenen politischen Stellungsbezugs in der Zeit der Restauration. Eine dritte Möglichkeit ist der symbolische Gebrauch von Abbildungen. Ein Foto anlässlich einer Metzgete von 1951, das einen übervollen Korb praller Blutwürste zeigt, bringt die Spannung von Knappheit und Überfluss besser zum Ausdruck als eine historische Fotografie eines Festessens.

 

In der neuen Kantonsgeschichte werden Bilder über diese illustrative Funktion hinaus auch als eigenständige Aussageebene „zur Sprache kommen“. Einzelne Kapitel sind eingebettet in ein eigentliches Bild-Programm, welches nicht vom Einzelbild her, sondern von seiner Gesamtthematik Bezug auf den Text nimmt. Bekannt ist eine solche Bildsprache beispielsweise vom Einsatz historischer Karten her, parallel zu einer textlichen Abhandlung über territoriale Entwicklung. Eher ungewohnt hingegen könnte der Bildgebrauch etwa im Kapitel über Natur- und Umweltwahrnehmung aussehen – wenn Landschaftsbilder aus mittelalterlichen Codices auf jene zeitgenössischer Kunstfotografie treffen.

 

Bilderflut?

 

Das Baselbiet, so die Erkenntnis aus der Redaktionsarbeit, ist arm an Bildern, wie wohl jede ländliche Gegend. Erst im 20. Jahrhundert, als der Fotoapparat zum Allgemeingut wird, wächst die Menge verfügbarer Bilder. Aber auch dann ist lange nicht alles dokumentiert, was die neuere Geschichtsforschung interessiert. Nach wie vor dominieren Klassen- und Vereinsfotos, Gebäudeaufnahmen. Ansichten von Armut oder Wohlstand, vom Alltag industrieller Arbeit oder häuslicher Plackerei gibt es kaum. Auf die Platte gebannt wurde von den frühen Berufsfotografen eben nur, was bildwürdig, erinnerungswürdig schien.

 

Noch krasser zeigt sich das in den früheren Jahrhunderten. Vor 1800 gibt es sozusagen nur Bilder über das Baselbiet und keine aus dem Baselbiet selbst. Nicht nur, weil im Baselbiet damals keine Maler leben. Es ist die städtische Oberschicht, welche Bilder bestellt und Bildthemen bestimmt. Wen wundert’s, dass es von Basels politischen Eliten zahlreiche Porträts gibt, von den untertänigen Landbewohnern allenfalls wenige Trachtenfiguren. Wenn Landschaften und Siedlungen auf Bildern des Baselbiets erscheinen, dann handelt es sich selten um realistische Wiedergaben, sondern oft um romantisch verfremdete Wasserfälle und typisierte Staffagefiguren. Darstellungen ländlichen Alltags fehlen durchwegs, so dass hier auf die bekannten Beispiele aus anderen Regionen der Schweiz zurückgegriffen werden muss.

 

Geschichten von Bildern

 

Die neue Geschichte des Baselbiets ist kein Bilderbuch. Noch dominiert die Erzählung, die Erklärung, auch und gerade dort, wo Bilder stehen. Wenn Bilder als Medium der Geschichte ernst genommen werden sollen, muss man sie anders behandeln als dies die Tagespresse tut. Darin liegt die grosse Chance: Bilder nicht einfach als visuelle Ergänzung zu verwenden, sondern ihre Komplexität, ihre semiotische Offenheit und ihren historischen Kontext sichtbar zu machen. Deshalb wird in den folgenden Nummern des Bulletins 2001 in loser Folge jeweils ein Bild aus der Geschichte des Baselbiets vorgestellt werden.

 

Erschienen in: Geschichte 2001; Mitteilungen der Forschungsstelle Baselbieter Geschichte [Beilage zu den Baselbieter Heimatblättern], Nr. 28 (1999), S. 1-5.